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Wissenswertes: Plasmawechselwirkung von Titan

Titan im Plasmastrom

Saturn dreht sich in 10.7 Stunden um seine eigene Achse. Titan kreist im Abstand von 20.3 Saturnradien in der Äquatorebene um Saturn in gleicher Richtung, in der dieser rotiert, braucht allerdings 16 Tage für eine Umrundung. Das Plasma ("Gas" aus geladenen Teilchen), das die Saturnmagnetosphäre bevölkert, bewegt sich angetrieben durch elektromagnetische Effekte annähernd mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie Saturn. Effekte wie Reibung mit dem Neutralgas und Massentransport nach außen bremsen diese Bewegung ab. Am Ort Titans führt das dazu, daß Titan permanent von Magnetosphärenplasma mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/s (ca. 60 % der Korotationsgeschwindigkeit von Saturn) von hinten (im Sinne der Plasmabewegung) angeströmt wird. Die Wechselwirkung des anströmenden Plasmas mit Titan und seiner Atmosphäre zeigt sehr interessante Eigenheiten und ist Gegenstand der aktuellen Forschung, an der unser Institut beteiligt ist.
Maßgebend für die Wechselwirkung sind zum einen die Eigenschaften des magnetosphärischen Plasmas in der Umgebung Titans und zum anderen die Beschaffenheit der dichten, Titan umgebenden Atmosphäre. Unter bestimmten Bedingungen sind auch die elektromagnetischen Eigenschaften des Satellitenkörpers von Bedeutung. Auf einige Eigenschaften der Plasmawechselwirkung gehen wir im folgenden etwas näher ein.

 

Das eingefrorene Magnetfeld

Ein Magnetfeld beeinflußt die Bewegung geladener Teilchen durch die Lorentz-Kraft, was dazu führt, daß die Teilchen um Magnetfeldlinien gyrieren. Wenn die elektrische Leitfähigkeit des Plasmas groß genug ist und somit eine starke Kopplung mit den elektrischen und magnetischen Feldern gegeben ist, kann man das gemeinsame Verhalten als Bewegung der Magnetfeldlinien mit der mittleren Geschwindigkeit der Plasmateilchen beschreiben. Man sagt dann, die Magnetfeldlinien sind in das Plasma eingefroren. Durch diesen Effekt führt das Titan anströmende Plasma das Magnetfeld Saturns mit sich.

 

Massenbeladung

Erreicht das anströmende Plasma die Umgebung von Titan, so kommt es zu Wechselwirkungen der schnellen geladenen Teilchen des magnetosphärischen Plasmas mit dem ionosphärischen Plasma und der Neutralatmosphäre Titans. Dabei ionisieren die heißen Elektronen des Plamas die Neutralteilchen, es kommt zur Bildung einer Ionosphäre. Die größte Ionisationsquelle und damit Hauptverantwortliche für die Bildung einer Titanionosphäre ist allerdings die Sonne mit ihrer EUV-Strahlung. Die Ionen, unabhängig davon, welcher Quelle sie entstammen, müssen wegen ihrer Ladung zu den Teilchen des Plasmas gezählt werden. Beim Eintritt in die Titanatmosphäre nimmt also die Anzahl der Teilchen und damit die Masse des Plasmas zu. Diesen Effekt bezeichnet man als Massenbeladung. Da Energie und Impuls erhalten sein müssen, verringert die Zunahme von Masse die Geschwindigkeit, das Plasma wird abgebremst.

 

Draping

In das Plasma ist das Saturnmagnetfeld eingefroren. Betrachten wir eine einzelne Magnetfeldlinie. Wird das Plasma durch die Massenbeladung gebremst, so wird auch die Magnetfeldlinie vor Titan festgehalten. Andere Teile des Plasmas, die mit der gleichen Magnetfeldlinie verbunden sind, aber nicht auf die Ionosphäre von Titan treffen, werden nicht durch Massenbeladung abgebremst, und sind deshalb bestrebt, mit unveränderter Geschwindigkeit an Titan vorbeizuströmen. Dabei gibt es zwei Grenzfälle, je nachdem wie das Verhältnis von kinetischer Energie der Teilchen zur Magnetfeldenergie ist: bei sehr starkem Magnetfeld wird die Feldlinie nur schwach verbogen, bei schwachem Feld wird sie fast vollständig um den Körper gebogen. Das Phänomen der Verbiegung von Magnetfeldlinien bezeichnet man als Drapieren (engl. draping; siehe auch Abbildung). Bei Titan ist das Magnetfeld relativ schwach.

 

Besonderheiten Titans

Am Ende möchten wir noch auf einige Besonderheiten von Titan hinweisen:
Für die Plasmawechselwirkung wichtig sind neben der Anströmgeschwindigkeit die Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Wellenstörungen im Plasma, bei denen außer der Schallgeschwindigkeit auch die sog. Alfvéngeschwindigkeit eine Rolle spielt. Interessant ist nun, daß bei Titan alle drei Geschwindigkeiten etwa gleich groß sind. Das ist für die Wechselwirkung mit einem Körper, der eine ausgeprägte Atmosphäre besitzt, im ganzen Sonnensystem einzigartig.
Wie bereits erwähnt, stellt die Sonne die primäre Ionisationsquelle für die Titanionosphäre dar. Die Ionosphäre auf der sonnenzugewandten Seite unterscheidet sich deshalb von der sonnenabgewandten Seite wesentlich in ihrer Ionendichte. Die Anströmseite des magnetosphärischen Plasmas wechselt im Verlauf einer Saturnumrundung (siehe Abbildung). Eine interessante Frage ist nun, unter welchen Bedingungen die Ionendichte in der Ionosphäre ausreicht, das anströmende Magnetfeld durch die Bildung einer Ionopause abzuschirmen, innerhalb der im Idealfall das Magnetfeld auf Null absinkt. Wenn das Magnetfeld den Satellitenkörper erreicht, spielen Induktionseffekte durch leitende Schichten eine Rolle.

Eine weitere Besonderheit Titans ist seine Lage dicht an der Magnetopause der Saturnmagnetosphäre im Sonnenwind um die Ortszeit 12 Uhr. Bei starker Sonnenaktivität wird die Magnetopause zu Saturn hin verschoben und Titan ist dem supersonischen Sonnenwind ausgesetzt. Was dann passiert, ist mit der Situation bei Venus vergleichbar. Titan birgt eine Reihe interessanter wissenschaftlicher Fragestellungen, zu deren Beantwortung die Cassini/Huygens-Mission sicherlich bald einen erheblichen Beitrag leisten wird. Das Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln ist durch seine Beteiligung am Magnetometerexperiment (MAG) und dem Huygens Atmospheric Structure Experiment (HASI) in die Cassini/Huygens Mission integriert.

 

Plasmaparameter von Titan:

Plasmageschwindigkeit

Hintergrundmagnetfeld

80 - 150 km/s

5 nT

Elektronenanzahldichte

H+-Anzahldichte

N+-Anzahldichte

0.3 cm-3

0.1 cm-3

0.2 cm-3

Elektronentemperatur

H+-Temperatur

N+-Temperatur

200 eV

210 eV

2.9 keV

 

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Autor: Heiko Backes