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Forschung an unserem Institut: Oberfläche und Inneres

1. Bodenbeschaffenheit

Bis zur Ankunft der Cassini/Huygens-Mission war die Beschaffenheit der Titan-Oberfläche weitgehend unbekannt. Das thermische und mechanische Verhalten der Oberfläche sind jedoch für die Dynamik und den Energiehaushalt der Atmosphäre von großer Bedeutung. Im atmosphärischen Zirkulationsmodell (GCM) für Titan wurden verschiedene Oberflächenmodelle (poröses Material, kompaktes Eis, Seen) angenommen und die dabei prognostizierten Bodentemperaturen mit den wenigen verfügbaren Beobachtungsdaten verglichen. Nach der Simulation wurde eine poröse Eisoberfläche am wahrscheinlichsten eingestuft.

Ferner zeigte das Modell zum ersten Mal, dass entgegen bisheriger Vermutungen die Bodentemperatur an den Polen jahreszeitlich um ein paar Grad variieren kann, was große Auswirkungen auf das Zirkulationsmuster und die Wolkenentstehung haben würden.

Neueste Messungen der globalen Verteilung der Bodentemperatur und deren jahreszeitliche Veränderungen mit dem Cassini-Infrarotspektrometer zeigen eine gute Übereinstimmung mit der Bodentemperaturvorhersage mit dem besagten Modell für den Fall, dass der Boden aus einem porösen Material besteht. Im nördlichen Polargebiet jedoch hinkt die gemessene Temperatur der Vorhersage etwas hinterher, was mit der größeren thermischen Trägheit der dort häufigen Kohlenwasserstoffseen erklärt werden kann.

Veröffentlichungen:

Tokano, T. Meteorological assessment of the surface temperatures on Titan: constraints on the surface type. Icarus, 171, 222-242, 2005.

Jennings, D. E., V. Cottini, C. A. Nixon, F. M. Flasar, V. G. Kunde, R. E. Samuelson, P. N. Romani, B. E. Hesman, R. C. Carlson, N. J. P. Gorius, A. Coustenis, T. Tokano. Seasonal changes in Titan’s surface temperatures. Astrophys. J. Lett., 737, L15, 2011.  

2. Rotationsschwankung von Titan durch die Atmosphäre

Die oben beschriebene jahreszeitliche Variation der Bodentemperatur verursacht durch thermische Effekte eine jahreszeitliche Umkehr der bodennahen Windrichtung. Dadurch wird je nach Jahreszeit Drehimpuls von der Oberfläche in die Atmosphäre oder umgekehrt übertragen. Aufgrund des großen Trägheitsmoments der Atmosphäre und des kleinen Trägheitsmoment des Titan-Inneren sollte dieser Drehimpulsaustausch am Boden eine verhältnismäßig große Auswirkung auf die Rotationsgeschwindigkeit bzw. Tageslänge von Titan haben. Falls die obere Eiskruste von Titan zudem durch einen unterirdischen Ozean vom Kern mechanisch entkoppelt sein sollte, würde sich diese Rotationsschwankung um noch eine Größenordnung vergrößern.

Ferner kann der Austausch des atmosphärischen Drehimpulses mit der Oberfläche eine Polbewegung verursacht werden. Dabei schwankt die Rotationsachse von Titan um den geographischen Pol.

Die Modellvorhersage diente als Grundlage für geodätische Vermessung etwaiger Krustenverschiebungen durch die Cassini-Sonde, sorge aber auch für kontroverse Diskussionen.

Veröffentlichungen:

Tokano, T., F. M. Neubauer. Wind-induced seasonal angular momentum exchange at Titan’s surface and its influence on Titan’s length-of-day. Geophys. Res. Lett., 32, L24203, doi:10.1029/2005GL024456, 2005.

Karatekin, Ö., T. Van Hoolst, T. Tokano. The effect of internal gravitational coupling on Titan’s non-synchronous rotation. Geophys. Res. Lett., 35, L16202, doi:10.1029/2008GL034744, 2008.

Tokano, T., T. Van Hoolst, Ö. Karatekin. Polar motion of Titan forced by the atmosphere. J. Geophys. Res., 116, E05002, doi:10.1029/2010JE003758, 2011.

3. Entstehung der Dünen

Ein großer Teil der Tropen von Titan ist mit unzähligen linearen Dünen, die parallel zum Äquator angeordnet sind, bedeckt. Das Strömungsmuster ist dabei überall ostwärts orientiert, so dass dieses als Indiz für Westwinde gedeutet wurde. Es wird allerdings kontrovers diskutiert durch welche Winde diese Dünen entstanden sein könnten.

Simulationen mit dem GCM deuten an, dass die Dünen auf Titan Umkehrdünen sein könnten, die durch jahreszeitlich umkehrenden Nord-Süd-Winde verursacht werden. Das ostwärts gerichtete Strömungsmuster kann durch starke turbulente Westwinde verursacht werden, die während der Passage der Innertropischen Konvergenzzone während der Äquinoktien vorübergehend entstehen. In anderen Jahreszeiten überwiegen Ostwinde, deren Spitzenwindgeschwindigkeiten allerdings unter denen der Westwinde liegen. Diese Lösung würde die bisher verbreitete Annahme widerlegen, dass äquatoriale Bodenwinde überwiegend Westwinde seien, die meteorologisch/geophysikalisch schwer zu verstehen war.

Veröffentlichung:

Tokano, T. Dune-forming winds on Titan and the influence of topography. Icarus, 194, 243-262, 2008.

Tokano, T. Relevance of fast equatorial westerlies at equinox for the eastward elongation of Titan’s dunes. Aeolian Res., 2, 113-127, 2010.

Pressemitteilung der NASA (29.7.2010): Blowing in the Wind: Cassini Helps with Dune Whodunit
 

4. Dynamik, Thermodynamik und Astrobiologie der Seen

Bisherige Studien der (einst hypothetischen) Seen auf Titan beschäftigten sich meistens mit der chemischen Zusammensetzung ohne die Jahreszeiten zu berücksichtigen. Angesichts der starken Temperaturabhängigkeit der Dichte flüssiger Kohlenwasserstoffe kann auch eine geringe Temperaturerhöhung im Sommer die Schichtung der Seen stabilisieren. Im Winter dagegen verursacht die Abkühlung der Seeoberfläche Konvektion. Falls jedoch Verdunstung im Sommer auftritt, würde sich die Seeoberfläche auch im Sommer abkühlen. Modellsimulationen zeigen, dass das Schicksal der Seen stark von der chemischen Zusammensetzung und Jahreszeit abhängen sollte.

Solche Unterschiede könnten Auswirkungen auf etwaiges astrobiologisches Potential haben, zumal Konvektion, stabile Schichtung oder Schrumpfung die Verteilung der Gase sowie Materie beeinflussen.

In kürzeren Zeitskalen wird die Dynamik der Seen durch Gezeiten von Saturn bestimmt. Zum ersten Mal wurde mit einem 3-dimensionalen Ozeanzirkulationsmodell die Gezeiten im Speziellen und die Fluiddynamik im Allgemeinen in zwei Seen auf Titan (Kraken Mare und Ontario Lacus) unter Berücksichtigung der geographischen Lage und Geometrie der Seen simuliert. Das Modell prognostiziert deutlich größere Gezeiten als in irdischen Seen/Meeren vergleichbarer Größen (z.B. Ostsee, Schwarzes Meer).

Der populärwissenschaftliche Artikel "Long-lived Titan lakes are boon to life" in New Scientist, 1.12.2009 behandelt diesen Themenkomplex.

Veröffentlichungen:

Tokano, T. Thermal structure of putative hydrocarbon lakes on Titan. Adv. Space Res., 36, 286-294, 2005.

Tokano, T. Limnological structure of Titan’s hydrocarbon lakes and its astrobiological implication. Astrobiology, 9, 147-164, 2009.

Tokano, T. Simulation of tides in hydrocarbon lakes on Saturn’s moon Titan. Ocean Dyn., 60, 803-817, 2010.

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