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Interpretation der Huygens-Daten

 

      Huygens-Sonde (Bildquelle: ESA)

 

Die Kölner Gruppe ist am Huygens Atmospheric Structure Instrument (HASI) der Huygens- Mission der ESA beteiligt. Die Huygens-Sonde hatte die Untersuchung der Atmosphäre und der Oberfläche Titans zum Ziel. Im Dezember 2004 wurde die Huygens-Sonde von der Cassini-Muttersonde abgetrennt und trat am 14. Januar 2005 in die Atmosphäre von Titan ein.

Während der Eintrittsphase in der oberen Atmosphäre maß das Beschleunigungsmesser von HASI den Verlauf der Abbremsung, woraus die atmosphärische Dichte und Temperatur abgeleitet werden konnten. Einige Minuten später öffnete sich in der Stratosphäre der Fallschirm und danach konnten die anderen Instrumente mit ihren In-situ-Messungen beginnen. Der Abstieg bis zum Boden dauerte ca. 2,5 Stunden. Die Temperatur und der Luftdruck wurden fortlaufend mit Sensoren, die an der Außenseite der Sonde angebracht waren, gemessen. Die elektrischen Sensoren maßen die elektrische Leitfähigkeit, elektrische Feldstärke und weitere elektrische Signale und ein Mikrofon verzeichnete die Akustik während des Abstiegs. Schließlich landete die Sonde sanft auf einer harten Oberfläche, wo im ruhenden Zustand eine weitere Stunde lang Messungen fortgesetzt wurden.

Die Kölner Gruppe hat maßgeblich zu folgenden Interpretationen der Huygens-Daten beigetragen:

1) Nieselregen

Aus dem Temperatur- und Druckprofil von HASI und dem Methanmischungsverhältnis aus dem Gas Chromatograph-Massenspektrometer (GCMS) wurde das Vertikalprofil der relativen Feuchtigkeit errechnet. Dieses deutete an, dass es über der Huygens-Landestelle übereinander eine Schleierwolke aus flüssigem Methan-Stickstoff-Gemischs und eine weitere Schleierwolke aus gefrorenem Methan (ohne Stickstoff) existierte, obwohl zum Zeitpunkt der Landung keine sichtbare Wolke von erdgebundenen Teleskopen festgestellt wurde. Der während der Landung gemessene Vertikalwind war ebenfalls schwach, so dass konvektive Wolken ausgeschlossen werden können. Das Feuchtigkeitsprofil ist ferner konsistent mit der Idee, dass Nieselregen aus der unteren Wolke fiel und den Boden erreichte.

 

Schematische Skizze der Wolken an der Huygens-Landestelle (aus Tokano et al., 2006, Nature 442, 432-435)

Presse-Information der Universität zu Köln „Regen auf Titan“(26.7.2006) (pdf)

Bericht im Spiegel online (27.7.2006) "Es nieselt auf dem Titan"

Auch der populärwissenschaftliche Artikel "Schaurige Güsse aus Ethan" im bild der wissenschaft, Juli 2009 berichtet unter anderem darüber.

2) Atmosphärische Grenzschicht

Das Temperatur- und Druckprofil in Bodennähe in hoher Präzision lieferten zum ersten Mal den Nachweis einer wenn auch schwach ausgeprägten atmosphärischen Grenzschicht auf Titan. Die Grenzschicht war zum Zeitpunkt der Landung sehr schwach konvektiv und hatte eine Dicke von 300 m.

Es gibt allerdings auch die Interpretationsmöglichkeit, dass die Grenzschicht deshalb schwach ausgeprägt war, weil die Huygens-Landung in den Morgenstunden stattfand. Der typische Abstand von 3 km zwischen benachbarten Dünen sowie das mehrstufige Profil der potentiellen Temperatur könnten darauf hinweisen, dass die Grenzschicht tagsüber durch die Konvektion weiter anwächst.

3) Winde

Die Horizontalwinde in Bodennähe sind überwiegend Ausdruck der Hadleyzirkulation sowie des thermischen Windes im Gleichgewicht mit einer leichten Temperaturabnahme Richtung Äquator. Eindeutige Hinweise für Schweregezeitenwinde liefern die gemessenen Winde  nicht.

Die Vertikalwinde konnten aus der präzisen Aufzeichnung des Luftdrucks während des Abstiegs hergeleitet werden. Demnach herrschte in der Troposphäre ein schwacher Aufwind von wenigen cm/s, der mit dem Fehlen von konvektiven Wolken konsistent ist. In der Stratosphäre wurde dagegen ein etwas stärkerer Abwind verzeichnet, der Ausdruck einer thermisch indirekten Zirkulation oder atmosphärischen Wellen sein könnte.

Pressemitteilung der ESA “The way the wind blows on Titan” (1.7.2007)

Veröffentlichungen zu diesen Themen:

Fulchignoni, M., F. Ferri, F. Angrilli, A. J. Ball, A. Bar-Nun, M. A. Barucci, C. Bettanini, G. Bianchini, W. Borucki, G. Colombatti, M. Coradini, A. Coustenis, S. Debei, P. Falkner, G. Fanti, E. Flamini, V. Gaborit, R. Grard, M. Hamelin, A. M. Harri, B. Hathi, I. Jernej, M. R. Leese, A. Lehto, P. F. Leon Stoppato, J. J. López-Moreno, T. Mäkinen, J. A. M. McDonnell, C. P. McKay, G. Molina-Cuberos, F. M. Neubauer, V. Pirronello, R. Rodrigo, B. Saggin, K. Schwingenschuh, A. Seiff, F. Simões, H. Svedhem, T. Tokano, M. C. Towner, R. Trautner, P. Withers, J. C. Zarnecki. In situ measurements of the physical characteristics of Titan’s environment. Nature, 438, 785-791, 2005.

Tokano, T., C. P. McKay, F. M. Neubauer, S. K. Atreya, F. Ferri, M. Fulchignoni, H. B. Niemann.  Methane drizzle on Titan. Nature, 442, 432-435, 2006.

Tokano, T., F. Ferri, G. Colombatti, T. Mäkinen, M. Fulchignoni. Titan’s planetary boundary layer structure at the Huygens landing site. J. Geophys. Res., 111, E08007, doi:10.1029/2006JE002704, 2006.

Mäkinen, J. T. T., A.-M. Harri, T. Tokano, H. Savijärvi, T. Siili, F. Ferri. Vertical atmospheric flow on Titan as measured by the HASI instrument.  Geophys. Res. Lett., 33, L21803, doi:10.1029/2006GL026982, 2006.

Grard, R., M. Hamelin, J. J. López-Moreno, K. Schwingenschuh, I. Jernej, G. J. Molina-Cuberos, F. Simões, R. Trautner, P. Falkner, F. Ferri, M. Fulchignoni, R. Rodrigo, H. Svedhem, C. Béghin, J.-J. Berthelier, V. J. G. Brown, M. Chabassière, J. M. Jeronimo, L. M. Lara, T. Tokano. Electric properties and related physical characteristics of the atmosphere and surface of Titan. Planet. Space Sci., 54, 1124-1136, 2006.

Simões, F.,  R. Grard, M. Hamelin, J. J. López-Moreno, K. Schwingenschuh, C. Béghin, J.-J. Berthelier, B: Besser, V. J. G. Brown, M. Chabassière, P. Falkner, F. Ferri, M. Fulchignoni, I. Jernej, J. M. Jeronimo, G. J. Molina-Cuberos, T. Tokano, R. Trautner. A new numerical model for the simulation of ELF wave propagation and the computation of eigenmodes in the atmosphere of Titan: did Huygens observe any Schumann resonance? Planet. Space Sci., 55, 1978-1989, 2007.

Hamelin, M., C. Béghin, R. Grard, J. J. López-Moreno, K. Schwingenschuh, F. Simões, R. Trautner, J. J. Berthelier, V. J. G. Brown, M. Chabassière, P. Falkner, F. Ferri, M. Fulchignoni, I. Jernej, J. M. Jeronimo, G. J. Molina-Cuberos, R. Rodrigo, T. Tokano. Conductivity and electron density profiles of the atmosphere of Titan from the Huygens PWA-HASI instrument: Mutual Impedance probe measurements. Planet. Space Sci., 55, 1964-1977, 2007.

Béghin, C., F. Simões, V. Krasnoselskikh, K. Schwingenschuh, J. J. Berthelier, B. Besser, C. Bettanini, R. Grard, M. Hamelin, J. J. López-Moreno, G. J. Molina-Cuberos,  T. Tokano.  A Schumann-like resonance on Titan driven by Saturn’s magnetosphere possibly revealed by the Huygens probe. Icarus, 191, 251-266, 2007.

Tokano, T. Near-surface winds at the Huygens site on Titan: interpretation by means of a general circulation model. Planet. Space Sci., 55, 1990-2009, 2007.

Lorenz, R. D., P. Claudin, B. Andreotti, J. Radebaugh,  T. Tokano. A 3 km atmospheric boundary layer on Titan indicated by dune spacing and Huygens data. Icarus, 205, 719-721, 2010.

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