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Forschung an unserem Institut: Atmosphäre

 

1. Globale atmosphärische Zirkulation

Die Kölner Gruppe entwickelt seit den 1990er Jahren ein drei-dimensionales globales Zirkulationsmodell der Atmosphäre (GCM), das speziell auf Titan zugeschnitten ist. Dieses Modell kann genauso wie die Mehrheit der von anderen Gruppen entwickelten GCMs die beobachtete stratosphärische Superrotation nicht reproduzieren. Die Ursache dafür ist unbekannt. Die Struktur der gemittelten meridionalen Zirkulation (Hadleyzirkulation) aus diesem Modell dagegen stimmt im Wesentlichen mit den Prognosen anderer Modelle sowie Hinweisen der Beobachtungen überein.

Das Modell prognostiziert einen erheblichen jahreszeitlichen Transport stratosphärischer Aerosole von der einen Halbkugel zur anderen und umgekehrt durch die Hadleyzirkulation. Die dadurch verursachte jahreszeitliche Variation der optischen Tiefe der Atmosphäre kann teleskopisch beobachtet werden. Vergleiche mit der Simulation können zum Verständnis der Mechanismen, die zur Variation der Helligkeitsverteilung von Titan führen, beitragen.

Allgemein geht man davon aus, dass der Drehimpuls ursprünglich dem Boden/Inneren entnommen worden ist. Mögliche Mechanismen des Drehimpulsaustausches zwischen dem Boden und der Atmosphäre sind Bodenreibung durch die Bodenwinde und Luftdruckunterschiede zwischen der West- und Ostflanke der Gebirge.

Veröffentlichungen:

Tokano, T., F. M. Neubauer, M. Laube, C. P. McKay. Seasonal variation of Titan’s atmospheric structure simulated by a general circulation model. Planet. Space Sci., 47, 493-520, 1999.

Tokano, T. Mountain torque and its influence on the atmospheric angular momentum on Titan. Icarus, 220, 863-876, 2012.

Tokano, T. Wind-induced equatorial bulge in Venus and Titan general circulation models: Implication for the simulation of superrotation. Geophys. Res. Lett., 40, 4538-4543, 2013.

 

2. Methankreislauf

Das gleiche GCM wurde benutzt, um den globalen hydrologischen Kreislauf von Methan zu untersuchen. Methan wird in Bodennähe von der Winterhalbkugel zur Sommerhalbkugel transportiert und konvergiert in der Nähe des Sommerpols, wo es nach oben aufsteigt und Kondensation verursacht. Folglich entstehen die meisten Niederschläge unweit des Sommerpols, in Übereinstimmung mit den Beobachtungen der Wolken. Die vom Modell vorhergesagte Niederschlagsmenge ist trotz der großen Häufigkeit von Methan relativ gering. Die ursprüngliche Version des Modells sagte extrem starke Niederschläge am Äquator voraus. Diese Anomalie wurde durch unrealistische Annahmen der Bodentemperatur verursacht und verschwand in der überarbeiteten Modellversion komplett.

Die durch Cassini entdeckten polaren Kohlenwasserstoffseen verändern den Methankreislauf insbesondere an hohen geographischen Breiten. Große Seen verursachen je nach der Zusammensetzung der Seen auf- oder ablandige Winde und lokal verstärkte Niederschläge. Wenn sie eine hohe Methankonzentration aufweisen, könnten sie im Sommer sogar tropische Zyklonen (Taifune, Hurrikane) entstehen lassen. Beobachtungen von tropischen Zyklonen auf Titan gibt es allerdings nicht.

Veröffentlichungen:

Tokano, T., F. M. Neubauer, M. Laube, C. P. McKay. Simulation of Titan's atmospheric methane cycle by a general circulation and the effect of supersaturation of methane on the atmospheric circulation. Icarus, 153, 130-147, 2001.

Tokano, T. Impact of seas/lakes on polar meteorology of Titan: simulation by a coupled GCM-sea model. Icarus, 204, 619-686, 2009. 

Tokano, T. Precipitation climatology on Titan. Science, 331, 1393-1394, 2011.

Tokano, T. Arrow in Titan's sky. Nature Geosci., 4, 582-583, 2011.

Tokano, T. Are tropical cyclones possible over Titan's polar seas? Icarus, 223, 766-774, 2013.

3. Atmosphärische Gezeiten

Wegen seiner elliptischen Umlaufbahn und der Nähe zum Gasriesen Saturn wirken enorme Gezeitenkräfte auf die gesamte Atmosphäre von Titan. Angesichts des relativ schwachen thermischen Antriebs der Atmosphäre sind Schweregezeiten auf Titan nicht nur für die Ozeanographie der Seen sondern auch für die Meteorologie von Bedeutung. In der Bewegungsgleichung des GCM wurden Schweregezeiten des Saturns implementiert, die in irdischen GCMs nicht auftreten. Die Gezeitenkraft verursacht eine tägliche periodische Oszillation des Bodenluftdrucks mit einer Amplitude von ca. 1 hPa, die viel größer ist als jede andere Luftdruckvariation auf Titan. In der Troposphäre entstehen periodisch umkehrende Winde mit einer Amplitude von 1 bis 2 m/s, die dem Hintergrundwind überlagert sind. Die Gezeiten verursachen planetare Wellen der Wellenzahl 2, die ostwärts wandern.

In der Stratosphäre werden die Schweregezeiten unbedeutend, weil andere Antriebsmechanismen stärker sind. Entgegen früherer Erwartungen wurden in den Vorhersagedaten des GCM Signale für thermische Gezeiten gefunden, die in der Stratosphäre ausgeprägt sind. Thermische Gezeiten sorgen für planetare Wellen der Wellenzahl 1, die mit der scheinbaren Geschwindigkeit der Sonne westwärts wandern. Ein interessanter Effekt der thermischen Gezeiten ist eine Neigung des atmosphärischen Drehimpulsvektors um ein paar Grad und deren Westwärtspräzession, die von Cassini in den Temperaturdaten und den Variationen der Helligkeit von Titan festgestellt wurden.

Veröffentlichungen:

Tokano, T., F. M. Neubauer. Tidal winds on Titan caused by Saturn. Icarus, 158, 499-515, 2002.

Tokano, T., R. D. Lorenz. GCM simulation of balloon trajectories on Titan. Planet. Space Sci., 54, 685-694, 2006.

Tokano, T. Westward rotation of the atmospheric angular momentum vector of Titan by thermal tides. Planet. Space Sci., 58, 814-829, 2010.

4. Gewitter

In der Troposphäre von Titan können gelegentlich konvektive Wolken entstehen, die morphologisch irdischen Gewitterwolken ähneln. Sie bestehen im oberen Teil aus gefrorenem Methan und im unteren Teil aus einem flüssigen Methan-Stickstoff-Gemisch. Während der plötzlichen Wolkenentstehung könnten sich solche Wolken durch den Einfang freier Elektronen von außen stark aufladen und vorübergehend ein starkes elektrisches Feld erzeugen, das schließlich in eine Blitzentladung münden könnte. Freie Elektronen können in der unteren Atmosphäre durch galaktische kosmische Strahlung erzeugt werden, die eine schwache Ionosphäre bilden, und wurden auch von Huygens nachgewiesen.

Die Huygens-Sonde ist allerdings während einer wolkenfreien Periode auf Titan gelandet, so dass kein Gewittersturm festgestellt wurde.

Veröffentlichungen:

Tokano, T., G. J. Molina-Cuberos, H. Lammer, W. Stumptner, Modelling of thunderclouds and lightning generation on Titan, Planet. Space Sci., 49, 539-560, 2001.

Lammer, H., T. Tokano, G. Fischer, W. Stumptner, G. J. Molina-Cuberos, K. Schwingenschuh, H. O. Rucker. Lightning activity on Titan: can Cassini detect it? Planet. Space Sci., 49, 561-574, 2001.

Fischer, G., T. Tokano, W. Macher, H. Lammer, H. O. Rucker, Energy dissipation of possible Titan lightning strokes, Planet. Space Sci., 52, 447-458, 2004.

 

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