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Wissenswertes: Atmosphäre von Titan

 

Zusammensetzung

Die Atmosphäre von Titan wurde zum ersten Mal 1907 von Josep Comas i Solà gesichtet und anschließend 1944 von Gerard Kuiper spektroskopisch nachgewiesen. Dabei wurde zuerst Methan (CH4) nachgewiesen, obwohl es sich nicht um den Hauptbestandteil handelt. Die erste nähere Untersuchung der Atmosphäre fand 1980 beim Vorbeiflug der Sonde Voyager 1 statt. Demnach besitzt Titan eine dichte Atmosphäre mit einem Bodenluftdruck von 1500 hPa (1.5 bar). Hauptbestandteil ist molekularer Stickstoff (N2).

Chemische Zusammensetzung der Atmosphäre

StratosphäreBodennahe Luft
97 %N295 %N2
2 %CH45 %CH4
0,1 %H2
1-2×10-5C2H6
2-4×10-6C2H2

Nach derzeitigen Kenntnissen ist Stickstoff wahrscheinlich in der Frühzeit von Titan aus Ammoniak hervorgegangen, das aus dem Inneren heraussickerte. Es gibt Hinweise dafür, dass die Titan-Atmosphäre früher noch dichter war als heute und ein erheblicher Anteil der atmosphärischen Moleküle bereits in den Weltraum verschwunden ist.

Die Quelle von Methan, dem zweithäufigsten Bestandteil der Atmosphäre, wird am Boden vermutet. Methan ist wahrscheinlich bei der Entstehung von Titan direkt eingefangen worden und später in bodennahen Methanclathraten gespeichert. Ob das Methan kontinuierlich oder sporadisch in die Atmosphäre gelangt ist nicht bekannt. Wegen der begrenzten chemischen Lebensdauer muss Methan immer wieder vom Boden nachgeliefert werden, um die Atmosphäre langfristig aufrechtzuerhalten. Flüssige Kohlenwasserstoffseen im Polargebiet können nicht als Quelle betrachtet werden, weil sie lediglich ein Reservoir des hydrologischen Kreislaufs darstellen. Allerdings könnten die Seen durch ein chemisches Gleichgewicht mit der Atmosphäre die atmosphärische Zusammensetzung bedeutend beeinflussen.

Bezeichnend für Titan ist außerdem die Existenz einer Vielzahl von organischen Verbindungen (Kohlenwasserstoffe, Nitrile), die durch photochemische Reaktionen aus Stickstoff und Methan hervorgehen. Durch Polymerisation und Kondensation organischer Moleküle entstehen Aerosole (Dunstschicht), die in der Stratosphäre den gesamten Globus bedecken und die Sicht im sichtbaren Spektrum erheblich mindern. Sauerstoffverbindungen existieren nur als Spurengase und entstehen vermutlich durch geologische Prozesse (z.B. Vulkanismus) oder durch Eintrag aus dem Weltall.

Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem, der eine dichte Atmosphäre besitzt. Es gibt noch keine endgültige Erklärung dafür, warum andere, ähnlich große Monde wie Ganymed oder Kallisto (beides Jupitermonde) keine nennenswerte Atmosphäre hat.

Thermische Struktur

Die thermische Struktur der unteren Atmosphäre konnte bereits durch Voyager 1 anhand von Radiowellen erkundet werden. Die erste und bisher einzige durchgehend in situ Messung der Temperatur und des Luftdrucks von 1400 km Höhe bis zum Boden fand im Januar 2005 durch die europäische Huygens-Sonde statt.

Die Neutralatmosphäre von Titan kann nach dem Temperaturverlauf ähnlich eingeteilt werden wie die Erdatmosphäre, d.h. in die Troposphäre, Stratosphäre, Mesosphäre und Thermosphäre.

Die Temperatur in der Troposphäre sinkt von 93 K (-179 Grad C) am Boden auf 70 K an der Tropopause (ca. 40 km). In Bodennähe folgt die Temperatur weitgehend dem trockenadiabatischen Temperaturgradienten. In der Troposphäre spielen der Treibhauseffekt durch N2, CH4 und H2 sowie der Wärmeaustausch mit dem Boden eine wichtige Rolle. Die Temperatur an der Tropopause ist nur 7 Grad wärmer als der Gefrierpunkt von Stickstoff, dem Hauptbestandteil der Atmosphäre. Der Treibhauseffekt sowie ein effizienter horizontaler Wärmetransport verhindert, dass die Temperatur an den Polen unter den Gefrierpunkt von Stickstoff fällt und die Atmosphäre ausfriert. Entgegen früherer Annahmen zeigt die Temperatur auch in Bodennähe jahreszeitliche Variationen, wenn auch nach irdischem Maßstab sehr geringe.

In der Stratosphäre nimmt die Temperatur steil bis 180-190 K in 250 km Höhe zu. Hauptverantwortlich für diese Erwärmung ist die Absorption des sichtbaren Lichts durch die Dunstschicht, die somit eine ähnliche Rolle spielt wie die Ozonschicht der Erde. In der Stratosphäre ist die Temperaturvariation mit der Breite sowie mit der Jahreszeit wesentlich ausgeprägter. Messungen mit dem Cassini-Infrarotspektrometer deuten auf einen Temperaturunterschied von bis zu 30 Grad zwischen dem Äquator und dem Winterpol hin, während dieser am Boden nur 3 Grad beträgt.
Die Temperaturverteilung in der Mesosphäre wird durch unterschiedlich starke Absorption der Sonnenstrahlung und der thermischen Strahlung durch Methan, Ethan und Acetylen bestimmt. Aus den Messdaten geht nicht eindeutig hervor, ob es eine klar definierte Stratopause gibt. In der mittleren Atmosphäre (Stratosphäre und Mesosphäre) zeigt die gemessene Temperaturkurve eine starke wellenförmige Struktur, die nicht allein mit Strahlung erklärt werden kann und auf dynamische Prozesse wie Schwerewellen oder Gezeitenwellen hindeuten.

In der Thermosphäre überwiegt die Heizung durch die Absorption der solaren EUV-Strahlung durch N2. Zeitweise tragen auch energetische Teilchen aus der Saturn-Magnetosphäre zur Erwärmung bei.

Atmosphärendynamik

Im Gegensatz zur thermischen Struktur und Zusammensetzung waren die Informationen über Winde auf Titan bis zur Jahrtausendwende äußerst spärlich. Es gab indirekte Hinweise für sehr starke Winde in der Stratosphäre, jedoch war nicht einmal die Windrichtung bekannt. Mittlerweile können erdgebundene Teleskope aus der Beobachtung der Frequenzverschiebung einzelner Moleküle in der Stratosphäre die Windrichtung und –stärke in bestimmten Höhenbereichen herleiten. Sie deuteten auf starke Westwinde von 100 bis 200 m/s hin. Die Huygens-Sonde, die in die Atmosphäre hinab stieg, maß die vorherrschende Winde entlang der Abstiegstrajektorie in situ. Huygens bestätigte die stratosphärischen Westwinde von dieser Größenordnung. In der unteren Stratosphäre wurde allerdings eine starke Anomalie festgestellt, wo die Windgeschwindigkeit fast auf 0 zurückgeht. Nach unten hin nahm die Windstärke merklich ab und in Bodennähe wurde sogar eine Schicht mit schwachem Ostwind entdeckt. Auch die Temperaturmessungen in der Stratosphäre durch das Infrarotspektrometer von Cassini sind konsistent mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 m/s.

Die starken stratosphärischen Winde und der Umstand, dass der Westwind praktisch den gesamten Globus umfasst, werden als Superrotation bezeichnet. Diese Superrotation gilt bis heute als eine der größten Fragestellungen in der planetaren Meteorologie. Der genaue Mechanismus für die Aufrechterhaltung so starker Winde auf Titan ist nicht hinreichend geklärt. Jedoch wird der Rotationsrate von Titan eine große Bedeutung beigemessen.

Wegen der langsamen Rotationsrate von Titan spielt die Corioliskraft eine vergleichsweise geringe Rolle für die Meteorologie. Das vorherrschende Gleichgewicht für stratosphärische Winde ist das zyklostrophische Gleichgewicht zwischen der meridionalen Druckgradientkraft und der Zentrifugalkraft. Wegen der quadratischen Abhängigkeit der Zentrifugalkraft von der Windgeschwindigkeit könnten sowohl Westwinde als auch Ostwinde dieses Gleichgewicht gleichermaßen erfüllen. In diesem Gleichgewicht besteht anders auf der Erde keine Notwendigkeit, bei einer jahreszeitlichen Umkehr der Druckgradientkraft auch die zonale Windrichtung zu ändern. Westwind, der sich einmal eingestellt hat, könnte ewig Westwind bleiben.

Die langsame Rotation von Titan wirkt sich auch auf andere Aspekte der Titan-Meteorologie erheblich aus. Die thermisch direkte Zirkulation (Hadley-Zirkulation) erstreckt sich von einem Pol zum anderen Pol, weil sie wegen der schwachen Corioliskraft nicht wie auf der Erde in mehrere Zellen untergliedert wird. Aus diesem Grunde sind auf Titan Frontensysteme, die auf der Erde für wechselhaftes Wetter in den mittleren Breiten sorgen, unwahrscheinlich. Es gibt genügend Beobachtungshinweise für die Existenz der Hadley-Zirkulation auf Titan. In Bodennähe weht der Wind überwiegend von der Winterhemisphäre zur Sommerhemisphäre und nicht, wie auf der Erde, von West nach Ost (mittlere Breiten) oder von Ost nach West (niedrige Breiten). Dadurch kann ein Wärmetransport in Nord-Süd-Richtung sehr effektiv erfolgen, weshalb nur ein sehr geringer Temperaturunterschied von 3 Grad zwischen Äquator und Pol existiert. Ähnliches gilt für die gesamte Troposphäre. Unter Umständen können jedoch lokal größere Temperaturkontraste entstehen, insbesondere in der Umgebung der polaren Seen. Sie könnten eine Land-See-Zirkulation auslösen.

Eine Besonderheit der Troposphäre von Titan ist der Gezeitenwind, der durch Saturn verursacht wird. Ursache für den Gezeitenwind ist die exzentrische Umlaufbahn von Titan und die damit verbundene Libration und Variation des Saturn-Titan-Abstandes. Der Gezeitenwind manifestiert sich als eine globale Welle mit der Wellenzahl 2, die der Hintergrundströmung überlagert ist und die sich mit der halben Rotationsgeschwindigkeit von Titan ostwärts ausbreitet ohne sich zu verformen. Angesichts der fehlenden Tiefdrucksysteme der mittleren Breiten wird die größte Luftdruckschwankung in kurzen Zeitskalen durch die Gezeitenkraft verursacht. Der Nachweis des Gezeitenwindes gestaltet sich jedoch als schwierig.

Hydrologischer Kreislauf aus Methan

 

Wolken und Seen in der Südpolregion (Bildquelle: NASA/JPL/Space Science Institute, Turtle et al., 2009)

Titan gilt als der erste authentische Schauplatz für einen hydrologischen Kreislauf, an dem nicht Wasser beteiligt ist, sondern ein anderer Stoff: Methan. Erste Überlegungen entstanden bereits kurz nach der Voyager-Mission in 1980 als die Temperatur- und Luftdruckverhältnisse und die ungefähre Zusammensetzung der Troposphäre bekannt wurden. Es herrschte große Uneinigkeit darüber, ob in den beobachteten Spektren der Troposphäre Hinweise für Wolken vorhanden sind, ob Kondensation von Methan unter den vorherrschenden Bedingungen überhaupt möglich ist und was die Kondensation verursachen sollte.

Seit einigen Jahren gibt es durch zahlreiche Teleskopbeobachtungen keinen Zweifel mehr, dass zumindest gelegentlich große konvektive Wolken aus Methan entstehen. Die meisten Wolken wurden bisher am Sommerpol gesichtet und ähneln morphologisch Cumulonimben auf der Erde, obwohl die Materialeigenschaften von flüssigem Methan ohne Zweifel ganz anders sind als die vom Wasser oder Eis. Als Ursache für die Konzentration vieler Wolken am Sommerpol werden beispielsweise die hohe Bodentemperatur oder Konvergenz feuchter Luft am Sommerpol genannt. Einige Beobachtungen deuten auch auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den polaren Seen und Wolken hin. In der Nähe einiger Wolken wurden etwas später neue dunkle Flecken an der Oberfläche entdeckt, die möglicherweise Seen sind, die durch Regen aus diesen Wolken gefüllt wurden.

Während der Landung von Huygens wurden nirgendwo optisch dicken Wolken beobachtet und somit auch kein starker Niederschlag. Allerdings gibt es einige Hinweise dafür, dass Huygens durch eine Schleierwolke und Nieselregen hinab gestiegen ist. Der obere Teil der Schleierwolke besteht aus gefrorenem Methan, der untere Teil aus flüssigem Methan, in dem auch ein erheblicher Anteil von Stickstoff und Ethan enthalten ist. Je nach Feuchtigkeit und der Zusammensetzung der Troposphäre kann der Regen auch den Boden erreichen, wodurch ein geschlossener hydrologischer Kreislauf zwischen Atmosphäre, Oberfläche und Untergrund möglich ist.

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