Überraschung für die Forscher: Bilder des Hubble-Teleskops zeigen Polarlichter am Jupiter und seinem Mond Io, die so bisher noch niemand gesehen hatte. Der Kölner Geophysiker Joachim Saur ist dem Leuchten auf der Spur.
Frage: Herr Professor Saur, was erforschen Sie und Ihre Kollegen von der Universität Lüttich mit Bildern und Daten des Hubble-Teleskops?
Joachim Saur: Wir untersuchen das Jupiter-System. Jupiter hat vier große Monde, einer davon, der innerste, ist Io. Io ist der vulkanisch aktivste Körper in unserem Sonnensystem, hat daher eine Atmosphäre und ist vergleichsweise nah an Jupiter dran. So nah, dass er vom Magnetfeld des Jupiter durchdrungen wird. Dabei entstehen starke Plasmawellen, die einen donutförmigen Ring bilden und auf die Atmosphäre des Jupiter stoßen. Dort regen sie Polarlichter an. Die Hubble-Bilder zeigen einen hellen Punkt in der Jupiter-Aurora, den so genannten Io-Fußpunkt. Häufig erkennt man zudem weitere, schwächere Leuchtpunkte hinter dem ersten Fußpunkt, die sozusagen ein Echo des Hauptpunktes sind. Mit dem Weltraum-Teleskop kann man am Nord- und Südpol des Planeten diese Leuchtflecke sehen. Ihre Leuchtkraft ist so groß wie die aller Polarlichter der Erde zusammen - man bräuchte in etwa 100 Kraftwerke, um diese Leuchtintensität zu generieren.
Jupiters Aurora und Io-Fußpunkt, der durch Plasmawellen erzeugt wird. (Foto: NASA)
Frage: Was haben Sie jetzt Neues entdeckt?
Saur: Das Hauptleuchten wurde vor etwa zehn Jahren zum ersten Mal beobachtet. Nun haben wir entdeckt, dass dieser Leuchtfleck einen kleinen Bruder hat. Die Leuchterscheinungen eilen Io voraus - daher werden sie "Vorläufer" genannt - und sind um den Faktor zehn dunkler als die bisher bekannten Polarlichter. Sie tauchen an einer Stelle auf, an der niemand ein solches zusätzliches Leuchten erwartet hat. Wir gehen davon aus, dass die Plasmawellen schnelle energetische Elektronen erzeugen, die auf anderen als den bekannten Bahnen durch die Jupiteratmosphäre strömen und diesen Leuchtfleck erzeugen.
Frage: Lässt sich dieses Phänomen auch mit Hobby-Teleskopen beobachten?
Saur: Nein, das geht nur mit sehr leistungsfähigen, möglichst auch im Weltraum stationierten Teleskopen.
Neuentdeckung: Der "Vorläufer" als kleiner Bruder des Io-Fußpunktes. (Foto: Nasa)
Frage: Welche Bedeutung hat diese Entdeckung für Sie?
Saur: Wir haben gedacht: "Wow, wir verstehen das System eigentlich gar nicht richtig." Dieser Prozess, der den Mond an den Mutterplaneten koppeln kann, ist ganz fundamental. Bei der Erde entstehen diese Effekte nicht, weil ihr Magnetfeld nicht ausreicht. Aber bei den anderen Planeten des äußeren Sonnensystems schon.
Frage: Was lassen sich für Rückschlüsse aus den Leuchtflecken ziehen?
Saur: Wir als Wissenschaftler versuchen, Polarlichter als Ganzes zu verstehen - die auf der Erde, aber auch die auf dem Jupiter oder auf anderen Planeten. Ziel ist es, einen einheitlichen Mechanismus zu finden, der allen Polarlichtern zu Grunde liegt. Auf der Erde entstehen sie, wenn geladene Teilchen des Sonnenwindes an den Polen auf die Erdatmosphäre treffen. Sie werden also durch die Sonne kontrolliert - die Sonne spielt beim Jupiter überhaupt keine Rolle. Deswegen gibt es irgendeinen Prozess, der viel tiefer liegt. Wir wollen ein Universalitätsprinzip für alle Polarlichter finden. Nur auf die Erde zu schauen, reicht dafür nicht aus.
Polarlichter - Infos bei "Planet Wissen"
Offizielle NASA-Seite des Hubble-Teleskops (engl.)
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