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Ozean unter dem Eis: Jupitermond Europa schießt Wasserfontänen ins All
Am Südpol des Jupitermondes Europa rauschen riesige Fontänen aus Wasserdampf ins All. Das haben deutsche Forscher mit Hilfe des "Hubble"-Weltraumteleskops herausgefunden. Die Hoffnung auf die Entdeckung von Leben unter dem Eispanzer des Mondes steigt.
Aus der Ferne betrachtet sieht der Jupitermond Europa aus wie ein großer Schneeball. Im Sonnensystem gibt es kaum Himmelskörper, die eine hellere Oberfläche haben. Das liegt daran, dass seine oberste Schicht aus kilometerdickem Wassereis besteht. Wie massiv der frostige Panzer genau ist, lässt sich bisher schwer sagen. Forscher gehen von zehn bis fünfzehn Kilometern aus. Darunter soll ein womöglich bis zu 100 Kilometer tiefer Ozean aus flüssigem Wasser liegen.
"Wir haben die Suche nach Wasser und Wasserfontänen schon mit mehreren 'Hubble'-Kampagnen vorangetrieben" so Saur. "Aber erst nachdem eine Kamera auf dem Weltraumteleskop in einer der letzten Space-Shuttle-Missionen wieder repariert wurde, konnten wir die Sensitivität erreichen, um die Fontänen beobachten zu können." Die Forscher haben ihre Ergebnisse am Donnerstag bei der Tagung der American Geophysical Union (AGU) in San Francisco vorgestellt, außerdem wurden sie zeitgleichvom Fachmagazin "Science" veröffentlicht.
Aktivität schwankt
Wissenschaftler kennen bereits einen vergleichbaren Fall. 2005 entdeckte die Raumsonde "Cassini" eisige Fontänen am Südpol des Saturnmonds Enceladus. Insofern erscheinen die nun von Roth und Saur vorgestellten Beobachtungen durchaus plausibel. Darauf verweist auch Nicolas Altobelli von der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), der an der aktuellen Arbeit nicht beteiligt war: "Das vorgestellte Szenario klingt sehr wahrscheinlich, weil es für Enceladus am Saturn ganz ähnliche Bedingungen gibt." Die Ergebnisse seien "sehr bedeutsam".
In beiden Fällen, bei Enceladus und jetzt auch bei Europa, sprühen die Fontänen nicht gleichmäßig. Die Aktivität hängt offenbar davon ab, wo sich der Mond gerade in Bezug auf seinen Mutterplaneten befindet. Die kosmischen Wasserspiele auf Europa waren nur dann zu beobachten, wenn der Mond auf seiner leicht elliptischen Bahn am weitesten vom Jupiter entfernt war. Das ist wohl auch der Grund, warum das Phänomen vorher noch nicht beobachtet wurde.
Und da ist noch etwas: Die bereits bekannten Eisfontänen des Enceladus hinterlassen eine Spur, nachdem sie den Mond verlassen haben. Sie versorgen unter anderem einen der Saturnringe mit Material. Im Fall von Europa konnte solch ein Ring um den Jupiter bisher nicht entdeckt werden. Auch Beobachtungen, wonach zurückfallende Eispartikel die Polregion des Mondes gewissermaßen abschmirgeln, gibt es bisher nicht.
Der Mechanismus hinter den Fontänen könnte in etwa so funktionieren: In den Außenbereichen unseres Sonnensystems ist der Einfluss der Strahlung unseres Zentralgestirns nur noch sehr schwach. Es braucht also eine andere Wärmequelle, um das Phänomen zu ermöglichen. Wahrscheinlich sorgen Gezeitenkräfte dafür, dass sich Wassermoleküle tief unter der eisigen Oberfläche Europas aneinander reiben und dadurch erwärmen. Durch Risse und Spalten im Eis kann der Wasserdampf dann nach oben entweichen.
Esa-Mission soll Europa beobachten
Europa, der vom Durchmesser her mit dem Erdenmond vergleichbar ist, und Enceladus faszinieren Planetenforscher schon seit längerem - weil ihre verborgenen Ozeane auch exotischen Lebensformen eine Heimat bieten könnten. "Flüssiges Wasser wird generell als Grundvoraussetzung für Leben - zumindest Leben, wie man es auf der Erde kennt - erachtet", sagt Roth, der mittlerweile am Southwest Research Institute in San Antonio,Texas, arbeitet. "Daher rückt die Entdeckung der Wasserdampf-Fontänen den Mond Europa weiter in den Mittelpunkt der extraterrestrischen Forschung."
Lebensbausteine könnten einst durch einen Asteroiden oder Kometen auf Europa deponiert worden sein. Hinweise auf einen besonders spektakulären Crash will Nasa-Forscher Jim Shirley vom Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena am Freitag ebenfalls bei der AGU-Tagung vorstellen. Er will sie zusammen mit Kollegen in alten Daten der bereits 2003 im Jupiter verglühten Sonde "Galileo" aufgespürt haben. Es handelt sich um Tonminerale, sogenannte Schichtsilikate. Diese stellten "ein neues Kapitel" bei der Suche nach Leben auf dem Mond Europa dar, so der Forscher.
Die betreffenden Infrarotaufnahmen von "Galileo" stammen von 1998 und haben nach heutigen Maßstäben eine niedrige Auflösung. Shirley und seine Kollegen hatten sie digital nachbearbeitet - und waren dabei auf einen verräterischen Ring gestoßen: Er hat einen Durchmesser von 40 Kilometern und liegt rund 120 Kilometer von einem bekannten Einschlagkrater entfernt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein 1,7-Kilometer-Komet oder ein 1,1-Kilometer-Asteroid dort niedergegangen sein könnte - und womöglich Lebensbausteine auf den eisigen Mond gebracht habe.
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Bevor man über mögliche Bewohner solch ferner Welten spekuliert, könnte man allerdings erst einmal auf Europa nachsehen. Immer wieder haben Raumfahrtingenieure Missionen erdacht, bei denen der eisige Ozean mit Forschungsrobotern erkundet würde. Doch mehr als ein paar technische Fingerübungen hat es bisher kaum gegeben. Denn die Reise zum Jupiter wäre extrem teuer.
Immerhin: Die Esa-Sonde "Juice" soll nach 2030 mehrmals am Mond Europa vorbeifliegen. Dimitrij Titow, der bei der Esa für "Juice" verantwortliche Wissenschaftler, hofft darauf, dass sich per Radar Blasen von flüssigem Wasser bereits kurz unter der Oberfläche des Mondes finden lassen. Nach den neuen Ergebnissen sieht er dafür nach eigenem Bekunden eine "hohe Wahrscheinlichkeit".
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